Heer zieht Konsequenzen aus erniedrigenden Ausbildungspraktiken in Pfullendorf
Im Ausbildungszentrum Spezielle Operationen in Pfullendorf in Baden-Württemberg sollen Rekruten sexuell genötigt und erniedrigenden Ausbildungspraktiken ausgesetzt worden sein. Die Staatsanwaltschaft Hechingen ermittelt wegen mehrerer Delikte. Die Bundeswehr betont: Der Generalinspekteur habe nach Abstimmung mit der Bundesverteidigungsministerin personelle wie organisatorische Maßnahmen angeordnet.
„Die Vorgänge im Ausbildungszentrum Spezielle Operationen sind nicht zu tolerieren. Es widerspricht wofür wir stehen! Verstöße gegen die Innere Führung werden im Heer nicht geduldet und mit aller Konsequenz geahndet!", erklärte der Inspekteur des Heeres, Generalleutnant Jörg Vollmer.
Teile der sanitätsdienstlichen „Combat First Responder"-Ausbildung im Ausbildungszentrum Spezielle Operationen in Pfullendorf seien hinsichtlich des Gebotes zur Achtung der Würde des Menschen, der sexuellen Selbstbestimmung und des Schamgefühls unangemessen gewesen, erklärt die Bundeswehr. Es habe darüber hinaus Hinweise auf Mobbing gegeben. Die unverzüglich eingeleiteten Ermittlungen bestätigten in weiten Teilen die Angaben.
Diese Vorgänge wiegen laut Bundeswehr insofern umso schwerer, als bereits früher Hinweise auf Missstände und frauenfeindliches Klima in einer anderen Teileinheit des Ausbildungszentrums Spezielle Operationen in Pfullendorf in Rede standen.
Außerdem wurde bekannt, dass es im Ausbildungszentrum wiederholt im Zuge sogenannter „Aufnahmerituale" zu Misshandlungen von Soldaten gekommen ist. Dies geschah zwischen Mannschaftsdienstgraden. Vorgesetzte waren nach derzeitigem Stand der Ermittlungen an den Geschehnissen nicht beteiligt.
Artikel: Sadistische Rituale in Bundeswehr-Kaserne in Pfullendorf
Den eindeutig identifizierten Tätern wurde durch den Disziplinarvorgesetzten sofort die Ausübung des Dienstes einschließlich des Tragens der Uniform untersagt. Gleichzeitig wurde in allen Fällen die fristlose Entlassung aus der Bundeswehr eingeleitet. Das ist möglich, weil es sich bei den Betroffenen um Soldaten mit einer Dienstzeit unter vier Jahren handelt.
Am 24.01.2017 sind die Fälle der Staatsanwaltschaft Hechingen übergeben worden, sie ermittelt wegen des Verdachts der Freiheitsberaubung, gefährlichen Körperverletzung, Gewaltdarstellung und Nötigung.
Der Generalinspekteur habe auf der Grundlage der bislang gesicherten Erkenntnisse in Abstimmung mit der Bundesverteidigungsministerin den Inspekteur des Heeres angewiesen, die erforderlichen organisatorischen und personellen Konsequenzen in der betroffenen Dienststelle in Pfullendorf "unverzüglich und mit aller gebotenen Konsequenz zu ziehen". Die Häufung der bisher bekannt gewordenen Ereignisse zeige gravierende Defizite in der Führung.
Um dem Standort einen Neubeginn zu ermöglichen und die weiteren Ermittlungen zu erleichtern, seien neben den bereits genannten Entlassungen und disziplinaren Ermittlungen weitere Versetzungen, Änderungen an der Ausbildungsorganisation und -inhalte sowie intensive Dienstaufsicht angeordnet worden.